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Webinar – Recht im Internet

In sozialen Netzwerken bleibt keiner lange allein, kann man dort doch unkompliziert Kontakte knüpfen und sich in den Kommentarspalten austoben, alles schön verziert mit Smileys, Emojis oder doch lieber mit einem selbst kreierten Sticker? Und wie schnell ist es im World Wide Web passiert, dass man Virtuelles und Reales verwechselt, ohne sich bewusst zu werden, dass im Virtuellen oft ganz reale Gefahren lauern. Und das nicht nur zu Zeiten der Kontaktbeschränkung.

Über diese realen Gefahren – gerade für Kinder und Jugendliche – informierte die Rechtsanwältin Gesa Stückmann in einem Webinar mit dem Titel „Recht im Internet“, zu dem das Gymnasium Münchberg eingeladen hatte.  Zentral war dabei immer wieder die Frage, was Eltern, Lehrkräfte und nicht zuletzt Kinder und Jugendliche selbst dagegen tun können und wie sie rechtlich dagegen vorgehen können, wenn sie z.B. mit Gewaltdarstellungen und Pornographie in sozialen Medien konfrontiert sind.

Gesa Stückmann fackelt nicht lange. Sie ist genauestens darüber informiert, was in den sozialen Netzwerken los ist. Seit 2007, als der erste Fall von Cybermobbing bei ihr auf dem Schreibtisch lag, hat sie es sich neben ihrer Anwaltstätigkeit zur Aufgabe gemacht, in Schulen v.a. mittels Webinaren über Gewalt im Netz aufzuklären.

Portrait eines nachdenklichen, traurigen Mädchens © Jochen Schönfeld – Fotolia.com 

Und diese Gefahren sind vielfältig. Schauplatz WhatsApp: Ein Schüler einer sechsten Klasse versendet im Klassenchat ein brutales Gewaltvideo, das mit einem Klick von allen Kindern der Klasse gesehen werden kann.  Ans Licht gekommen ist das Ganze, als ein Mädchen unter dem Schock über das Gesehene zusammengebrochen ist. Was war zu sehen? Die brutale Enthauptung zweier Männer mittels einer Kettensäge. „Dagegen kann ich mich nicht wehren. Ich werde nicht gefragt, ob ich das Video sehen möchte!“, fasst Stückmann die Situation der 12-Jährigen zusammen. „Das Weiterleiten und auch der Besitz solcher gewaltdarstellenden Inhalte ist strafbar!“, macht die Referentin deutlich. Wichtig sei deshalb die Änderung der WhatsApp-Grundeinstellungen. Dies gelingt, indem man unter „Einstellungen“ auf „Daten- und Speichernutzung“, dann „Medien-Autodownload“ klickt und dort alle Häkchen bei „Mobile Daten“ und „WLAN“ entfernt.

Besonders heikel sind Nackt-Selfies und erotische Fotos, besonders, wenn darauf Minderjährige zu sehen sind. V.a. Mädchen lassen sich zu solchen Fotos verleiten, nicht selten, um den angehimmelten Schwarm von sich zu beeindrucken. Dass dieser das Foto jedoch nicht nur für sich behält, sondern in Chatgruppen problemlos teilen kann, daran denkt in diesem Moment niemand. Und auch nicht an die Konsequenzen: Scham, Spott, psychische Verletzungen auf der einen Seite, zivil- und sogar strafrechtliche Verfolgung aufgrund von Besitz und Verbreitung kinderpornographischen Materials auf der anderen Seite. Stückmann erzählt von einem Mädchen, das über WhatsApp von einem ihm nicht persönlich bekannten Jungen nach einer harmlosen Aufnahme ihres Gesichts gefragt wurde. Doch schnell wurde daraus eine gefährliche Falle, als das Mädchen ein Foto zurückerhielt, das ihr Gesicht auf dem nackten Körper einer Unbekannten zeigte. Was anfangs noch lustig erschien, entwickelte sich schnell zu einem Alptraum: „Das bin doch gar nicht ich!“, reagierte das Mädchen im Chat auf die Montage. „Das weißt du, aber niemand sonst. Schick mir ein echtes Nacktfoto von dir, sonst bekommt die ganze Welt das Foto von eben zu sehen,“ lautete die Drohung. Wichtig ist in einem solchen Fall immer, so Stückmann, Beweise mittels Screenshots zu sichern – nur dann hat eine Strafverfolgung Aussicht auf Erfolg.

Zur Person:
Gesa Stückmann ist nach ihrem Studium in Trier seit 1996 als Rechtsanwältin in Rostock tätig. Selbst Mutter zweier Kinder ist seit 2007 der Bereich „Kinder & Neue Medien“ einer ihrer Berufsschwerpunkte. Auslöser für ihr Engagement gegen Cybermobbing war ihr Schock über ihren ersten Fall, der die Beleidigungen und Diffamierungen zweier Schüler bei schuelerVZ zeigte. Seitdem hält sie Vorträge und Webinare in Schulen für SchülerInnen ab der 5. Klasse, für Eltern und Lehrkräfte. Dabei berichtet sie von aktuellen Fällen aus ihrer Praxis, klärt, welche rechtlichen Folgen Cybermobbing oder der Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild haben und vermittelt, wie betroffene Schüler oder auch Lehrer sich mit Hilfe des Gesetzes zur Wehr setzen können. Für ihr Engagement im Bereich der Gewaltprävention wurde sie 2011 mit dem Landespräventionspreis Mecklenburg-Vorpommern und 2018 mit dem EMOTION Award im Bereich „Soziale Werte“ ausgezeichnet.  Nähere Informationen sind zu finden unter www.law4school.de

Auch das Thema Cybermobbing nimmt im Vortrag der Rechtsanwältin einen breiten Raum ein. „Mobbing gab es schon immer“, räumt Stückmann ein, „aber früher ging ich von der Schule nach Hause, machte die Tür zu und hatte Pause, denn in mein Kinderzimmer kam keiner meiner Angreifer. Doch die sozialen Medien machen keine Pause. Das Opfer kann rund um die Uhr, 7 Tage die Woche attackiert werden. Und die Hemmschwelle ist niedriger. Wenn ich jemandem gegenüberstehe, sehe ich, wenn er anfängt zu weinen und ich habe die Chance, Mitgefühl zu entwickeln. Das ist in den sozialen Medien weitaus schwieriger.“

„Seien Sie sich als Eltern bewusst, dass auch wir Erwachsenen durch die Nutzung der neuen Medien schnell zu Straftätern werden können“, mahnt Stückmann. „Auch Ihr Kind hat ein Recht am eigenen Bild – nur weil wir Eltern sind, berechtigt uns das nicht, Fotos unserer Kinder ins Netz zu stellen oder ihr Foto als Profilbild zu nutzen. Fragen Sie Ihre Kinder, ob sie damit einverstanden sind. Wenn sie noch klein sind, bedeutet das nicht, dass Sie sie nicht fragen müssen. Bilder sind heute dauerhaft im Netz und Kleinkinder- oder Säuglingsbilder können Kindern später peinlich oder unangenehm sein. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Fremde die Bilder kopieren und missbrauchen.“

Besonders populär sind das Erstellen und Verbreiten von Stickern in sozialen Netzwerken, nicht selten mit rechtradikalem Gedankengut. Schonungslos zeigt Stückmann diese erschreckenden Bilder. Und nicht selten werden auch Lehrkräfte Opfer solcher Sticker. Ihre Fotos werden nur in harmloseren Fällen mit Häschenohren verziert und mit einem schnellen Klick geteilt. „Das ist doch nur Spaß! Außerdem war das ursprüngliche Foto doch auch im Jahresbericht zu finden, also quasi öffentlich!“ So argumentieren die häufig unwissenden jugendlichen Täter. „Nein, das ist nicht lustig, sondern strafbar“, hält Stückmann dagegen. „Und nur, weil das Foto öffentlich zugänglich ist, berechtigt es noch lange nicht zur Bearbeitung und Verbreitung. Hier wird das Recht am eigenen Bild verletzt. Die entsprechende Person muss immer vorher gefragt werden.“

Die Rechtsanwältin ermuntert, in solchen Fällen der Grenzüberschreitung sich nicht zu scheuen, Strafanzeige bzw. Strafantrag zu stellen. Bisweilen genügt auch schon die Aufforderung des Anwalts an den Täter, binnen einer Frist zu versprechen, in Zukunft keine Beleidigungen oder Unwahrheiten über Person XY mehr zu verbreiten – die sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung. Erst wenn der Täter dieser Aufforderung nicht nachkommt, kommt es zur Strafanzeige. Und wenn der Täter unter 14 Jahren ist? „Hier haben wir es mit dem Zivilrecht zu tun. D.h. nicht die Eltern müssen die Strafe zahlen, sondern das Kind selbst – und sei es innerhalb der nächsten 30 Jahre“, klärt Stückmann auf.

Was können Eltern konkret tun, um ihre Kinder davor zu schützen, Opfer oder Täter zu werden? „Legen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Regeln für die Mediennutzung fest. Lassen Sie sich regelmäßig von Ihrem Kind erklären, mit wem es dort Kontakt hat. Kinder nehmen leichtfertig Kontaktanfragen an, auch wenn jemand z.B. ihre Handynummer einfach weitergegeben hat. Nutzen Sie dieses Gespräch, um ihr Kind auch auf die Risiken hinzuweisen, wenn ältere Personen zu ihnen Kontakt aufnehmen. Die richtige Reaktion auf Kontaktanfragen von Unbekannten auf WhatsApp ist: Blockieren und in der Kontaktliste löschen – auf keinen Fall zurückschreiben!“, rät Stückmann. Und: „Sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie immer für Ihr Kind da sind, egal was dort über die neuen Medien passiert – und dass Sie Ihrem Kind Internet und Smartphone nicht verbieten werden.“

Heike Eul / Sandra Burger